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Lexikon&Morphologie
Phonologie
Syntax
Semantik
Pragmatik
Spracherwerb
Sprachwandel
Kapitel 8
Sprachwandel


Aufgabe 1

"Sobald dort, wo die Schönheit des Aussehens geliebt wird, die Runzeln erscheinen, und die Haut dürr und weit, die Zähne schwarz und die Augen klein werden und die Nase anfängt zu triefen, wird die Frau verschmäht und mit der Liebe ist es vorbei."

Sprachliche Mittel, in denen sich der frühneuhochdeutsche Text vom Gegenwartsdeutschen unterscheidet:
- Orthographie: Klein- statt Großschreibung (amplicks, runtzeln), andere Grapheme zur Verschriftung von Lauten (/ u / als < w > anstelle von < u > in hawt, fraw), graphische Konsonantenverdopplung (komen > kommen)
- Wortbildung: Wahl anderer Wortbildungsmittel (-e statt -heit in scho:one)
- Flexionsmorphologie: Flexion eines prädikativen Adjektivs (du:orre)
- Syntax: Abfolge im Verbalkomplex (wirt geliebt statt geliebt wirt)


Aufgabe 2

Althochdeutsch: hêriro
Mittelhochdeutsch: hêrre
Wandel: Tilgung des ersten Nebensilbenvokals, Abschwächung des zweiten Nebensilbenvokals zu Schwa

Althochdeutsch: faterlîh
Mittelhochdeutsch: veterlich
Wandel: Primärumlaut (a > e)

Althochdeutsch: lîra
Mittelhochdeutsch: lîre
Wandel: Abschwächung des Vokals der Nebensilbe zu Schwa

Althochdeutsch: gibârida
Mittelhochdeutsch: gebærde
Wandel: Abschwächung zu Schwa oder Tilgung der Vokale in den Nebensilben, Sekundärumlaut (â > æ)

Althochdeutsch: buliz
Mittelhochdeutsch: bülez
Wandel: Abschwächung des Vokals der Nebensilbe zu Schwa, Sekundärumlaut (u > ü)


Aufgabe 3

Lautwandel: /ntf/ > /mpf/: Assimilation

Mittelhochdeutsch: entvinden, enpfinden
Gegenwartsdeutsch: empfinden

Mittelhochdeutsch: entvâhen, enphâhen
Gegenwartsdeutsch: empfangen


Aufgabe 4

Die Geschichte des Wortes Maulwurf ist ein Beispiel für das Phänomen der Volksetymologie. Ausgangspunkt ist vermutlich das ahd. mûwerf 'Haufenwerfer', dessen erste Konstituente dem altenglischen mûwa 'Hügel' entspricht. In spätahd. Zeit wird diese Konstituente volksetymologisch als molta 'Erde, Staub' umgedeutet, sodass mhd. moltwerf 'Erdwerfer' bedeutet. Eine weitere Umdeutung erfolgt in Anlehnung an das mhd. mûl 'Maul' – Grundlage für die gegenwartssprachliche Form.


Aufgabe 5

In beiden Sprachen hat im Flexionsparadigma des Verbs frieren vom Althochdeutschen respektive Altenglischen zur Gegenwartssprache ein analogischer Ausgleich des grammatischen Wechsels s – r stattgefunden. Mit dem Unterschied allerdings, dass sich im Deutschen der Konsonant r, im Englischen der Konsonant s durchsetzt. Ebenfalls in beiden Sprachen wird aktuell nur noch die grammatische Kategorie Tempus, nicht mehr die Kategorie Numerus durch den Ablaut bezeichnet. Auch hier handelt es sich um eine Form analogischen Ausgleichs.


Aufgabe 6

Althochdeutsch
1.Ps.Sg.: bim, bin
2.Ps.Sg.: bist
3.Ps.Sg.: ist
1.Ps.Pl.: birum, birun
2.Ps.Pl.: birut
3.Ps.Pl.: sint

Gegenwartsdeutsch
1.Ps.Sg.: bin
2.Ps.Sg.: bist
3.Ps.Sg.: ist
1.Ps.Pl.: sind
2.Ps.Pl.: seid
3.Ps.Pl.: sind

a. Identische Formen liegen in der 2. und 3. Pers. Singular vor, in der dritten Pers. Plural wird im Ahd. anders als im Gegenwartsdeutschen die Auslautverhärtung (gegen das orthographische Prinzip der Morphemkonstanz) angezeigt. In der 1. Pers. Singular setzt sich von zwei Varianten im Ahd. die Variante bin zum Gegenwartsdeutschen hin durch. Die stärksten Veränderungen finden sich in der 1. und 2. Pers. Plural, wo die b-Formen durch s-Formen ersetzt werden.
b. Die Veränderungen in der 1. und 2. Pers. Plural können als Beispiel für analogischen Ausgleich gesehen: Statt zwei unterschiedliche Wurzeln zu verwenden, werden alle drei Pluralformen nur noch auf der Basis einer Wurzel gebildet.


Aufgabe 7

a. Anders als im heutigen Deutsch kann im Althochdeutschen das Relativpronomen ausgelassen sein: Das gegenwartssprachliche der hat keine Entsprechung in dem althochdeutschen Beispielsatz.
b. Wie im Althochdeutschen kann im englischen Relativsatz das Relativpronomen fehlen, Beispiele sind die Sätze unter a. und b. Wenn das Relativpronomen Subjektfunktion hat, muss es im Englischen realisiert werden (vgl. Satz c.), während es im Althochdeutschen auch in diesem Fall fehlen kann.


Aufgabe 8

Wie die kategoriale und logisch-semantischen Charakterisierung in der Argumentstruktur von sehen zeigt, ist das Verb im Gegenwartsdeutschen syntaktisch und semantisch zweiwertig. Die beiden Argumente werden als Nominalphrase im Nominativ respektive Akkusativ realisiert.

KC: NPn NPa
LC: x y

a. In den beiden Ahd. Beispielsätzen ist das Verb sehen kategorial und logisch-semantisch ebenfalls zweiwertig. Allerdings kann das zweite Argument entweder im Akkusativ (a.) oder im Genitiv (b.) realisiert sein.
b. Welcher Kasus verwendet wird, hängt davon ab, wie das Verbgeschehen interpretiert wird: Bei terminativer Interpretation erscheint wie in a. der Akkusativ, bei nicht-terminativer Interpretation der Genitiv wie in b.


Aufgabe 9

Lexem: Ding
Alte Bedeutung: Rechtssache, Gerichtsversammlung
Neue Bedeutung: Sache
Semantischer Wandel: Bedeutungserweiterung

Lexem: Magd
Alte Bedeutung: Mädchen
Neue Bedeutung: Dienerin
Semantischer Wandel: Bedeutungsverschlechterung

Lexem: Kopf
Alte Bedeutung: Trinkgefäß
Neue Bedeutung: Schädel
Semantischer Wandel: Bedeutungsübertragung

Lexem: Bein
Alte Bedeutung: Knochen
Neue Bedeutung: Gliedmaß
Semantischer Wandel: Bedeutungsverschiebung

Lexem: Zimmer
Alte Bedeutung: Bauholz
Neue Bedeutung: Raum
Semantischer Wandel: Bedeutungsverschiebung

Lexem: ätzend
Alte Bedeutung: essen machend
Neue Bedeutung: (i) beißend, (ii) unangenehm
Semantischer Wandel: (i) Bedeutungsverschiebung,
(ii) Bedeutungsübertragung

Lexem: fromm
Alte Bedeutung: tüchtig
Neue Bedeutung: gläubig
Semantischer Wandel: Bedeutungsverengung

Lexem: schnell
Alte Bedeutung: kräftig, tapfer
Neue Bedeutung: schnell
Semantischer Wandel: Bedeutungsverschiebung

Lexem: scharf
Alte Bedeutung: schneidend
Neue Bedeutung: begehrend
Semantischer Wandel: Bedeutungsübertragung, Bedeutungserweiterung


Aufgabe 10

Lexem: lousy
Alte Bedeutung: mit Läusen verseucht
Neue Bedeutung: wertlos, nichtsnutzig
Semantischer Wandel: Bedeutungsübertragung

Lexem: viande/meat
Alte Bedeutung: Nahrung
Neue Bedeutung: Fleisch
Semantischer Wandel: Bedeutungsverengung

Lexem: siesta
Alte Bedeutung: Mittagshitze
Neue Bedeutung: Mittagsschlaf
Semantischer Wandel: Bedeutungsverschiebung

Lexem: pariente
Alte Bedeutung: Elternteil
Neue Bedeutung: Verwandter
Semantischer Wandel: Bedeutungserweiterung


Aufgabe 11

Lexem: ôstarûn 'Ostern'; sunnûnâbant 'Sonnabend'; gotspel 'Evangelium'
Ausgangssprache: Altenglisch
Kontaktsituation: angelsächsische Mission

Lexem: Schtorkipper 'Ladenbesitzer'; Gleederschtor 'Kleiderladen'; schuur 'sicher'
Ausgangssprache: Englisch
Kontaktsituation: pennsylvaniadeutsche Sprachinsel

Lexem: pflockôn 'pflücken'; pforta 'Pforte'; pfîlâri 'Pfeiler'
Ausgangssprache: Lateinisch
Kontaktsituation: Römerzeit


Aufgabe 12

Die aufgeführten Lexeme sind dem Französischen entlehnt: importer, marcher, pauser, réparer, réciter, sortir. Das Suffix -ieren wird zur Verbalisierung der französichen Basiswörter verwendet.


Aufgabe 13

Auf der Grundlage der gegebenen Beispiele kann für die in Texas gesprochene Varietät des Deutschen auf ein Zwei-Kasus-System geschlossen werden. Neben dem Nominativ (die Erziehung, sie, er, das Pferd, die Frau, das, das Bild) wird in Komplementposition ein Objektivkasus benutzt, der formal mit dem Akkusativ zusammenfällt und auch in Dativkontexten (von die Kinder, von meine erste Frau, ihn, ihn, mich, über das Bett) und Genitivkontexten (die Frau ihre Kinder) erscheint.