rotation Nr. 24 - 4.Juni 1997
Scheuklappen und Tatsachen
Zu den Pamphleten gegen die Wehrmachtsausstellung
Das "Ostpreußenblatt" und seine Autoren würde man gerne im Dunstkreis der Vertriebenenverbände gefangen sehen; seit einigen Tagen hängen jedoch auch an der Georg-August-Universität mehrere Exemplare eines Pamphlets, das unter Berufung auf einen Artikel aus eben diesem "Ostpreußenblatt" versucht, dem gesamten Hamburger Institut für Sozialforschung sowie den Veranstaltern der Ausstellung, Hannes Heer und Jan Philipp Reemtsma, die wissenschaftliche Glaubwürdigkeit zu entziehen. Außerdem leugnet es, daß es Wehrmachtsverbrechen gegeben habe - und scheut dabei auch vor plumper Quellenfälschung nicht zurück.Schlecht gefälschte Quellen
Die Verbrechen der Wehrmacht leugnet der Autor so schlichtweg; einzelne Verbrechen plündernder Soldaten habe es gegeben, wie dies im Krieg ja unvermeidlich sei, alle diese Soldaten seien jedoch vor dem Kriegsgericht zur Verantwortung gezogen worden. Die verbrecherischen Befehle Berlins - so zum Beispiel der "Erlaß über die Ausübung der Kriegsgerichtbarkeit im Gebiet Barbarossa und über besondere Maßnahmen der Truppe" vom 13. Mai 1941, der die sowjetische Zivilbevölkerung quasi rechtlos machte und Verbrechen an ihnen der Bestrafung entzog - werden natürlich mit keinem Wort erwähnt. Ebensowenig wie die "Richtlinien für das Verhalten der Truppe in Rußland", in der unter den Gegnern neben den "Bolschwisten" und Partisanen auch ausdrücklich die Juden genannt werden. Diese Richtlinien legten den Grundstein für die aktive Beteiligung der Wehrmacht am Holocaust der osteuropäischen Juden. Die Partisanenbekämpfung, die schon 1941 begann, obwohl es noch keine nennenswerte Partisanenbewegung gab, diente als Vorwand, um die jüdische Bevölkerung zu ermorden. Allein inWeißrußland wurden bis Dezember 1941 20.000 Juden von der Wehrmacht ermordet.
Diese Fakten sind in der historischen Forschung seit langem bekannt. Den Ausstellern konnte deshalb - trotz vieler Versuche- auch noch keine einzige Fälschung nachgewiesen werden. Viele Augenzeugenberichte und Feldpostbriefe belegen eindeutig die Verbrechen der Wehrmacht. Diese war eben mitnichten eine "saubere" Institution.
Im üblichen Duktus benutzt der Autor des Pamphlets die Ausstellungsbeschimpfung für einen Rundumschlag gegen die linken Kreise in der Bundesrepublik. Doch auch das Bundesverfassungsgericht bekommt dort sein Fett weg (u.a. wegen des Kruzifix- und des "Soldaten sind Mörder"-Urteils) ebenso wie der Bundespräsident, der nicht gegen die "Verunglimpfung" der Gefallenen protestiere. SPD und GRÜNE geraten ins Feuer, weil sie die pauschale Rehabilitierung von Wehrmachtsdeserteuren fordern.Gauweiler und die Folgen
So grob und durchsichtig, wie das Pamphlet gestrickt ist, weisen seine Ansichten doch erschreckende Parallelen zu Meinungen auf, wie sie in letzter Zeit wieder gesellschaftlich akzeptiert werden: In CSU wie CDU finden sie eine politische Heimat: Äußerungen von Peter Gauweiler, aber auch von der Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth, der Bremer CDU oder dem Präsidenten der Berliner TU müssen in diesem Zusammenhang genannt werden. Leider ist auch die SPD davor nicht gefeit. - Auch für Helmut Schmidt bleibt die Wehrmacht anständig. Die schleichende Tendenz einer allgemeinen Akzeptanz rechtsradikaler Meinungen, das lähmende Einsickern sind für die Demokraten genauso gefährlich wie das pöbelnde Agitieren der radikalen Rechten.
Start der Reihe zum "Deutschen Herbst":
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