rotation Nr. 24 - 4.Juni 1997
Scheuklappen und Tatsachen
Zu den Pamphleten gegen die Wehrmachtsausstellung
Ein Jahr für nichts
Bund und Länder treten bei der BAföG-Reform auf der Stelle
Start der Reihe zum "Deutschen Herbst":
20 Jahre "Mescalero-Affäre"
"Fuck Chirac!" - Jospin vient.
Frankreichs Präsident überlistet sich selbst
Maske oder Profil?
Kommentar zur SPD und den jüngsten Wahlen in Europa
Studierendenparlamentssitzung am 2.6.:
Neulich im StuPa...
Appetitliches und Unappetitliches
Zukunft als Bittsteller?
AStA Münster kämpft (nicht nur) um das Politische Mandat
Aufmerksame BeobachterInnen der hochschulpolitischen Szene werden es schon mitbekommen haben: Seit einiger Zeit wird der AStA der Uni Münster von Prozessen heimgesucht, die nicht nur Nerven und Geld kosten, sondern inzwischen auch die inhaltliche Arbeit massiv behindern. Hintergrund ist die Auseinandersetzung um das "Politische Mandat" - also das Recht der Studierendenschaften, sich zu politischen Themen zu äußern. Solche Prozesse gehörten früher zum Tagesgeschäft linker ASten: Auch in Göttingen klagte der RCDS mit bemerkenswerter Ausdauer (und Erfolglosigkeit), bis schließlich die Landespolitik ein Einsehen hatte und das Niedersächsische Hochschulgesetz änderte - das "Politische Mandat" ist nun gesetzlich verankert. NRW ist in dieser Hinsicht noch nicht ganz so weit. Die rot-grüne Landesregierung will das entsprechende Gesetz zwar ergänzen. Das aber kann dauern - bis dahin sind der Klagelust rechter Studis keine Grenzen gesetzt.Gängelung von rechts wegen...
In Münster hatte alles mit einem eindeutig satirischen Beitrag unter der vielsagenden Überschrift "Wie ich neulich mal bei der RAF war" begonnen. Die Bild-Zeitung - nicht unbedingt für ihre Neigung zu subtilem Humor bekannt - wußte damals von den "Tränen der Rohwedder-Witwe" zu berichten. Auch bei der Staatsanwaltschaft schrillten die Alarmglocken. Nachdem das Verfahren bezüglich des Verdachts der "Werbung für eine terroristische Vereinigung" wegen offensichtlicher Absurdität eingestellt worden war, kamen findige rechts-kundige Studis auf eine andere Idee: Die Parodie sei eine "allgemeinpolitische Äußerung". Das Oberverwaltungsgericht (OVG) sah's genauso und drohte mit bis zu 500.000 (!) DM Zwangsgeld für alle weiteren "nicht unmittelbar und spezifisch hochschulbezogenen Äußerungen".
Auf dem Niveau ging's dann munter weiter: Der AStA wurde immer wieder mit Klagen behelligt, die meist abgewiesen wurden, und zahlte ansonsten anstandslos vier "Zwangsgelder" in Höhe von 500 bis 2000 DM.Auseinandersetzung neuer Qualität
Ende April erreichte die Auseinandersetzung eine neue Qualität: Die Fachschaft Geschichte hatte zu einer Veranstaltungsreihe u.a. ehemalige KZ-Häftlinge eingeladen, in einer AStA-Publikation wurde über diese "ZeitzeugInnengespräche" berichtet. Dies störte einen rechten Studi, der beim OVG erneut offene Ohren fand: Das Gericht verhängte 500 DM Ordnungsgeld und untersagte auch für die Zukunft alle "inhaltlich-wertenden Auseinandersetzungen mit Gegenständen des Studienfachs". Was das für die Arbeit in den Fachschaften bedeutet, liegt auf der Hand. Nach diesem Urteil ist es Studi-VertreterInnen lediglich erlaubt, "wertungsfrei" Vorschläge zu Hochschulangelegenheiten zu machen - das aber wäre das Ende jeglicher Studierendenvertretung.
Das OVG-Urteil könnte aber auch Auswirkungen auf Niedersachsen haben. Es behauptet nämlich in seiner juristisch höchst umstrittenen Begründung, landesrechtliche Regelungen dürften in puncto Aufgaben der Verfaßten Studierendenschaft die Vorschrift des (Bundes-) Hochschulrahmengesetzes (HRG) nicht erweitern. Sollte diese Argumentation bei einer höchstrichterlichen Entscheidung Bestand haben, dürften auch wir in Göttingen nur noch "wertungsfreie" Bittgesuche an die ProfessorInnen stellen.